Torf für den Winter

Da war sie wieder! Beim spazieren gehen entlang der Dorfstraße zur großen Baustelle. Ein Bagger schaufelt den Weg durch die nasse Pferdeweide für einen neuen Fußweg zum Einkaufszentrum. Seine Schaufel beißt tief in das saftige Grün und hebt schwarzen Boden aus, tiefschwarz glänzenden Moorboden. Da war sie wieder - die Erinnerung:

Genau so hatte es damals ausgesehen, 1946, als ein Fuhrwerk schwarzen Torfboden für uns auf den Schulhof schüttete (da wo früher die hohe Schaukel stand). „Jetzt müssen wir alle ran“ sagte mein Vater, „ jetzt wird Torf gebacken wie in alten Zeiten, damit wir im Winter was zu heizen haben.“

Zuerst wurde aus stabilen Brettern eine unten offene Form gezimmert mit zwei mal sechs Fächern, groß wie für Ziegelsteine. Und dann ging es los: schwarzen Torf in einen Bottich schaufeln, reichlich Wasser dazu und dann alle Mann hinein in den Bottich und mit nackten Füßen die Matsche durchkneten, bis sie schön glitschig und weich ist. Die Form mit der nassen Pampe füllen, mit der Schaufel glatt streichen und klopfen. Dabei läuft das meiste Wasser schon unten aus der Form. Dann das blöd schwere Ding hochziehen. Schwusch! 12 glänzende schwarze Ziegel liegen auf dem Rasen. Das war der Anfang, jetzt heißt es  weitermachen, bis die ganze Fuhre auf diese Weise verarbeitet ist. Auf dem Schulhof vor den Bäumen zum Spargelfeld liegt die große Fläche glänzender Torfstücke zum Trocknen.

Nach ein paar Tagen sind wir wieder dran, alle Torfziegel müssen gewendet werden. Von Tag zu Tag werden sie schrumpeliger und brauner. Alles Wasser muss raus. Schließlich sind die Ziegel trocken genug, dass man sie stapeln kann. Wir bauen damit runde, locker gestapelte Türme, die sich nach oben immer mehr verengen. So stehen sie eine gute Weile, der Wind kann hindurch blasen und die restliche Feuchtigkeit mitnehmen.

Ganz zuletzt karren wir viele Schubkarren voller Torfziegel in den trockenen Schuppen. Damit kommen wir ein gutes Stück durch den Winter. Wie lang und hart dieser Winter werden würde, konnten wir ja noch nicht ahnen. Das ist aber eine weitere Geschichte.


Noch eine Geschichte zum Heizmaterial fällt mir ein:

Der Pausenhof der Schule Klein Nordende–Lieth war mit gewalztem Aschegruß befestigt, eine große schwarzgraue Fläche, auf der man sich beim Toben ganz schmerzhaft die Knie aufreißen konnte. Eines Tages, es war im Winter 1945, war auf dem Platz, gleich unter den Kastanien an der Schulstraße, ein Loch gebuddelt. Was sollte das denn?

Am nächsten Tag klärte sich die Frage schnell auf, als ein paar Leute mit Schaufeln und Eimern in der Hand anrückten und zu graben begannen. Sie hatten entdeckt, dass in dem schwarzen Gruß noch kleine Stückchen Koks zu finden waren, mit denen sie ihre Eimer füllten.

Mein Vater als Schulleiter entschied sich, wegen der großen Knappheit an Brennmaterial und der Notlage vieler Menschen, die in kalten Stuben saßen, die Graberei nicht zu verbieten. Kaum zu glauben, wie schnell die Nachricht von diesen Schätzen im Dorf rum war. Im Nu war der Schulhof voll mit Menschen, überall wurde gebuddelt und sortiert.

So muss es wohl einst 1848 bei den Goldgräbern in Kalifornien ausgesehen haben, die nach Goldnuggets suchten.

Da war kein Durchkommen mehr, Gräben überall und aufgeschüttete Grußhaufen. Es dauerte nur ein paar Tage, dann war der ganze Spuk vorbei. Ich glaube, auf dem großen Gelände war kein einziges Kokskörnchen mehr zu finden.

Danach dann musste mein Vater dafür sorgen, dass der Pausenhof wieder benutzbar wurde. Es dauerte Tage, bis alles wieder planiert und festgewalzt war.