5 Genmaislieferungen in Länder der Dritten Welt (03.10.2002)
Vor einigen Tagen schickte mir meine Tochter diesen Beitrag für das Bollwerk. Also greife ich den Vorschlag auf und sende nach längerer Pause wieder ein Thema auf die Reise. Es ist allemal lohnend solche Hintergrundinformationen zu haben.
„Millionen Menschen verhungern, weil afrikanische Staaten Hungerhilfe mit Gentechnik ablehnen“ - so oder ähnlich lauteten im August die Schlagzeilen einiger Zeitungen in Deutschland. Sogar die TAZ berichtete darüber, wie unethisch (wohlgenährte) Gentechnikkritiker seien. Sie seien schuld, wenn Menschen in afrikanischen Ländern das Potenzial der Gentechnik nicht erkennen und sogar Hilfslieferungen ablehnen, nur weil gentechnisch veränderter Mais enthalten sei. Eine konkrete Lebensbedrohung lässt einem Menschen wenig Möglichkeiten, wählerisch zu sein. Das scheinen sich auch die USA gedacht zu haben, als sie unter anderem Simbabwe, Sambia und Malawi im August Tausende Tonnen Mais aus heimischen Überschüssen als Hungerhilfe anboten. Die Lieferung bestand zu einem nicht unerheblichen Teil aus gentechnisch verändertem Mais. Die afrikanischen Regierungen lehnten ab, und das in einer Situation, wo demnächst allein in Simbabwe dürrebedingt bis zu sechs Millionen Menschen hungern werden. Auf den ersten Blick erscheint diese Entscheidung unvernünftig. Schließlich essen auch in anderen Teilen der Welt zunehmend Menschen gentechnisch veränderten Mais, und das sollte allemal besser sein als zu verhungern. Um die Entscheidung der Regierungen zu verstehen, muss man den Blick auf die USA und nach Europa lenken. Aus Sicht der USA ist die Verteilung von genverändertem Mais - vorläufig noch kostenlos - Teil einer weltweiten Marketingstrategie, um langfristig den Zugang zu weiteren Agrarmärkten zu sichern. In Europa will man die Gentechnik-Produkte nicht haben, so dass die USA Absatz-Probleme bekommen. Mit den Gentechnik-Hilfslieferungen werden nun die betroffenen Länder in Afrika unter Druck gesetzt: Entweder lässt man die Menschen des jeweiligen Landes verhungern oder die gelieferten modernen Sorten verdrängen die einheimischen und konventionellen Sorten, was die zukünftige Nahrungsversorgung untergräbt und zudem die gentechnikfreien Absatzmärkte nach Europa verdirbt. Denn oft benutzen die Landwirte die Hilfslieferungen nicht nur als Nahrung, sondern säen einen Teil auf ihren Feldern aus. Somit können die Länder langfristig keine Gentechnikfreiheit ihrer -Produkte mehr garantieren, der europäische Markt fiele weg, die Exporteinnahmen würden sinken - und Armut und in der Folge der Hunger wäre auch für die Zukunft programmiert. International agierende Umweltverbände kritisieren schon seit längerem die Strategie der USA als scheinheilig, die gentechnische Überproduktion mit dem Argument der „Hungerhilfe“ loszuwerden und sich so langfristig neue Absatzmärkte zu erobern. Viele Entwicklungs- und Hilfsorganisationen ziehen den kurzfristigen Nothilfelieferungen eine langfristige, strukturelle Hilfe vor. Oder Nahrungsmittel und Getreide für solche Lieferungen werden in angrenzenden Regionen beschafft, um die Wirtschaft der Länder vor Ort zu unterstützen. Die Gentechnikindustrie hat in den letzten Jahren international viel Boden gewonnen. So sind sogar Organisationen der UN durch massive Lobbyarbeit auf einen Pro-Gentechnikkurs umgeschwenkt. Aber es regt sich inzwischen in vielen afrikanischen Ländern Widerstand dagegen, dass der Hunger von den USA funktionalisiert wird, um die Gentechnik in der Landwirtschaft weltweit durchzusetzen. Auf dem UN-Gipfel zur Umwelt und Entwicklung im südafrikanischen Johannesburg legten Vertreter mehrerer afrikanischer Länder eine Erklärung vor, in der sie sich gegen die Instrumentalisierung des Hungers durch die Gentechnik-Industrie aussprachen. Die Hintergründe der internationalen Landwirtschafts- und Entwicklungspolitik sind komplex und nicht immer auf den ersten Blick zu begreifen. Das GeN bemüht sich seit vielen Jahren darum, oberflächlichen Schlagzeilen solide Informationen und genaue Recherche entgegen zu setzen. Die Menschen in Nord und Süd haben ein Recht darauf, selbst über ihre Anbaumethoden und Nahrungsmittel zu entscheiden.
Info des Gen-ethischen Netzwerks e.V.
http://www.gen-ethisches-netzwerk.de