6     Genügend Geld?      (01.12.2002)

"Ja, so isses", sagt meine Frau, als sie dies in der heutigen Sonntagszeitung liest. Da schreibt Ernst Elitz seine Meinung über die deutsche Klagekultur: Es fehle in Deutschland nicht an Geld, sondern nur am Verstand, es richtig einzusetzen.

Passt auch diese Glosse als weiteres brauchbares Bausteinchen ins Bollwerk?


Täglich entdeckt Hans Eichel in den Haushaltskassen neue Milliardenlöcher. Dabei gibt es in Deutschland genügend Geld. Es vagabundiert durch die Republik, wird versteckt, über die Grenzen gebracht und verschafft den Besitzern das stille Vergnügen, den Staat wieder mal nach Kräften betuppt zu haben.

Die Summe des Schwarzgeldes, das an den Steuerbehörden vorbeigeschleust wird, schätzen Experten auf 300 Milliarden Euro. Das Wenigste davon ist in Deutschland gebunkert, es liegt in der Schweiz, anderswo in Europa oder auf friedichen Inseln in der Karibik. Wir reden zwar viel über die Vorteile einer gemeinsamen europäischen Politik, aber die Mit-glieder der Union konnten sich bislang nicht auf ein grenzüberschreitendes Steuersystem samt europäischer Steuerfahndung verständigen.

Immer noch gibt es in Europa Staaten, die Schwarzgeld aus Deutschland magnetisch anziehen und deren Volkswirtschaften dank krimineller Euro-Einlagen bestens florieren. Es lebt sich nicht schlecht auf Kosten der Nachbarn.

Gemessen an den Besserverdienenden, die ihr GeId außer Landes bringen, sind unsere heimischen Schwarzarbeiter ein Motor für das deutsche Sozialprodukt. Was sie am Finanz-amt vorbei einsacken, landet nicht auf Nummernkonten in Zürich oder auf den Kaimanin-seln, sondern fließt sofort in den privaten Konsum. Wer zählt die Autos auf unseren Straßen, die Fernsehgeräte, Waschmaschinen und Bierpaletten, die nach Feierabend, am Wochenende oder durch den emsigen Einsatz von Arbeitslosen erwirtschaftet werden. Der deutsche Schwarzarbeiter denkt national. Er bringt sein Geld nicht über die Grenze, sondern verzehrt es daheim. An die 300 Milliarden Euro werden in Deutschland pro Jahr durch Schwarzarbeit verdient.

Wir können uns vieles leisten - auch Milliardenausgaben fürs Nichtstun. Die Arbeits-ämter zahlen 25 Milliarden Euro pro Jahr an ArbeitslosengeId. Von der Krankenpflege, über Kindergärten und Schulen bis zu Bau- und Malerarbeiten in maroden öffentlichen Gebäuden wird Schaffenskraft überall nötig gebraucht. Aber den Beschäftigungslosen ist Arbeit unter ihrem Stand nicht zu vermitteln. Die Arbeit Iiegt herum, wer hebt sie auf? Öffentlicher Pro-test erhebt sich gegen die steigenden Gesundheitskosten. Doch jährlich landen Arzneien im Wert von zwei Milliarden Euro im Abfalleimer. Und der Statistiker weiß, dass jede fünfte Packung ungeöffnet bleibt. Die Pharmafabriken arbeiten für den Müllsack.

Selbst wenn Einkommen ehrlich versteuert werden, ist die Frage berechtigt, ob das Geld auch mit Anstand verdient wird. Mal sind es schlappe fünf Millionen Mark für ein Air-busgeschäft, mal 220 Millionen Mark an "nützlichen Aufwendungen" für einen Panzerex-port, mal 9,6 Millionen Mark für die Lobbyarbeit einer ehemaligen Parlamentarischen Staatssekretärin. Von den Abermillionen an Abfindungszahlungen für gescheiterte Manager wollen wir gar nicht erst reden, sonst wird uns noch vorgeworfen, wir suhlten uns in der Neidgesellschaft. 150 Millliarden Euro wurden im letzten Jahr vererbt. Eine kräftige Steuer-erhöhung für üppige Erbschaften wäre ebenfalls angebracht, denn die ältere Generation hin-terlässt nicht nur erkleckliche Privatvermögen, sondern auch einen Staat, der uns ein Leben in Wohlstand und Sicherheit garantierte. Auch in den Erhalt dieses sozialen Erbes sollten die Nachkommen investieren, wenn ihnen dieses Land erhaltenswert scheint.

An Geld herrscht kein Mangel. Michael Schumacher bekommt fürs Autofahren 22 Millionen Euro pro Jahr - ohne Werbeeinnahmen. Fußballunterhalter werden wie Fürsten entlohnt. Und während die Profis die Hand aufhalten, weiß der Hobbysportler nicht wohin mit dem Geld. Er holt für Millionen ein Disneyland mit alpiner Kulisse in die Fußgängerzone von Mönchengladbach, um als Flachlandtiroler über künstlichen Schnee vom Idiotenhügel herunterzurutschen. Sind die Deutschen mit ihren Klagen da noch ganz dicht, fragt man sich jenseits der Grenzen. Die Frage ist berechtigt. Die Deutschen haben in den letzten Jahren gelernt, wie man gutes Geld verdient. Jetzt geht es darum, es nicht zu verpulvern.