10 Windräder auf Schwarzwaldhöhen? (25.03.203)
Durch die baden-württembergische Medienlandschaft fegen zur Zeit heftige Böen um die Frage, ob Windräder den Schwarzwald verschandeln. Längst erteilte Baugenehmigungen für längst gebaute Anlagen wurden unlängst auf Betreiben unseres Ministerpräsidenten widerrufen. Da schwillt vielen der Kamm. So auch dem Fernsehjournalisten Franz Alt. Er veröffentliche in der heutigen Sonntagzeitung einen offenen Brief an den Ministerpräsidenten:
Lieber Erwin Teufel,
über Don Quichotte und seinen romantischen Kampf gegen die Windmühlen haben sich mittlerweile 400 Jahre lang Leser köstlich amüsiert. Ihr heutiger Kampf gegen Windmühlen ist dagegen nur ärgerlich und unverständlich. In Baden-Württemberg stehen etwa 100 mal mehr Strommasten als Windräder. Durch die Netze der Masten fließt überwiegend Atomstrom, was Sie nicht stört. Aber die paar Dutzend Windräder, die wir endlich haben, stören Sie. Wer soll das verstehen? Warum verteufeln Sie die Windenergie, Don Quichotte Erwin Teufel?
Noch vor wenigen Jahren waren viele Bürger gar nicht, unzureichend oder falsch über die heutige Energiepolitik und ihre Folgen informiert. Aber der Sturm „Lothar“ und seine Milliardenschäden, die Hochwasserkatastrophe 2002 mit dutzenden Toten und die Hitzewelle dieses Sommers mit bis zu 5000 Hitzetoten in Frankreich und Milliardenschäden durch Ernteausfälle haben viele Menschen erkennen lassen, dass unser heutiger atomar-fossiler Energiemix für die Zukunft unverantwortlich ist. Auch Tschernobyl ist in Baden-Württemberg noch nicht vergessen. Wenn wir einfach so weitermachen, reicht in einigen Jahrzehnten das gesamte Bruttosozialprodukt der Welt nicht mehr aus, um nur noch die Naturschäden zu reparieren. Das haben die Chefmathematiker der Münchner Rückversicherung errechnet. Verdrängen hilft nicht mehr, Energieprobleme müssen jetzt politisch gestaltet werden.
In dieser Situation kämpfen Sie wie wild gegen umweltfreundliche Windstrom-anlagen. Ihr Hauptargument ist ein ästhetisches: Landschaftsverschandelung und Landschaftsschutz!
Lieber Erwin Teufel, es gibt künftig keinen Landschaftsschutz mehr ohne Klimaschutz. Und dafür sind auch Windräder unverzichtbar. Sie haben Atomstromgegner zu Recht vorgehalten, dass der Strom nicht aus der Steckdose kommt, sondern zuerst produziert werden muss. Aber auch Wertkonservative wie ich haben durch Tschernobyl lernen müssen, wie gefährlich AKWs wirklich sind. Auch deutsche Kernkraftwerke sind nicht 100prozentig sicher. Wir brauchen Alternativen. In den letzten Jahren wurde zudem deutlich, wie gefährlich AKWs wegen möglicher Terroranschläge sein können. 19 AKWs in Deutschland sind 19 Einladungen an Terroristen. Und der Müll aus Kernkraftwerken strahlt 100 000 Jahre lang - wie wollen wir das je verantworten?
Gerade Christen hätten durch Tschernobyl ein 11.Gebot lernen müssen: „Du darfst den Kern nicht spalten!“ Wie wollen Sie nach dem nächsten Unfall argumentieren? Denn der nächste Gau ist immer programmiert. Das ist nur eine Frage der Zeit. Alles was technisch passieren kann, wird einmal passieren.
Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil an erneuerbaren Energien bis 2010 zu verdoppeln. Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen ohne Ausbau der Windenergie im Land? Atom oder Wind? Das ist die Frage, die Sie als Ministerpräsident jetzt mitentscheiden müs-sen. „Hauptsache dagegen!“ ist kein Zukunftsmotto - weder bei AKWs noch bei Windkraft. Lernen Sie von Ihrem jüngeren Parteifreund und Ministerpräsidentenkollegen Christian Wulff in Niedersachsen. Er ist seit 15 Jahren Mitglied im Bundesverband Windenergie und engagiert sich für noch mehr Windmühlen im Windland Nummer eins, in Niedersachsen. Doch Ihr irrationaler, allenfalls sentimentaler Kampf gegen Windstrom ist faktisch eine Richtungsentscheidung gegen erneuerbare Energien.
Atomenergie bleibt gefährlich, die fossilen Brennstoffe gehen bald zu Ende, werden immer teurer und verursachen den Treibhauseffekt. Allein ein Energiemix aus erneuerbaren und preiswerten Energieträgern wie Sonne, Wind, Wasser, Biomasse, Erdwärme und solarem Wasserstoff garantiert einem modernen Industrie- und Tourismusland wie Baden-Württemberg Zukunft.
Die Sonne kennt auch keinen „Blackout“ wie in diesen Tagen dutzende von US-Kraftwerken. Ihre partielle und notorische Technikfeindlichkeit gegenüber Windrädern verhindert jeden Fortschritt. Mit windigen Protesten wird das Land nicht zukunftsfähig. Ein Argument gegen Windenergie ist besonders infam: Windräder kosten Steuergelder. Das trifft sicher für Kohle- und Atomstrom zu, aber Windräder werden von engagierten Bürgern und über eine Umlage von allen Strombeziehern finanziert. 220 000 deutsche Bürger investieren inzwischen in Windräder. Das ist eine breite Volksbewegung, was demokratisch legitimierte Politiker beachten sollten.
Sonne und Wind stehen uns noch Milliarden Jahre zur Verfügung: preisgünstig, umwelt-freundlich und ohne die Notwendigkeit von Ressourcen-Kriegen. Jedes Windrad, jede Solaranlage und jede Biogasanlage sind Zeichen des Friedens. Sonne und Wind sind ein Geschenk des Himmels. Verschließen Sie sich als Christ und Konservativer nicht länger diesem Himmelsgeschenk der natürlichen Energiegewinnung. Wir brauchen die Energie von oben. Don Quichotte lebte schon damals in einer Traumwelt. Wenn wir nicht aufwachen, werden uns die nächsten Katastrophen sehr unsanft aufwecken.
Sonnige Grüße und auf einen frischen Wind in der Landesregierung hoffend,
Ihr
Franz Alt